Ich kann das schon! Oder?
Zur Kompetenzentwicklung von Kindern und ihrer Bedeutung für die Teilnahme am Straßenverkehr
Ab wann können Kinder eigentlich selbstständig am Straßenverkehr teilnehmen? Das ist nicht eindeutig zu beantworten, denn jedes Kind ist anders und hat unterschiedliche Erfahrungswerte, aber es gibt altersgemäße Entwicklungen, die grundsätzlich für alle Kinder gelten. Einige sind offensichtlich – so ist es einleuchtend, dass Kinder aufgrund ihrer Körpergröße das Verkehrsgeschehen nicht so gut überblicken können wie Erwachsene und deshalb auch schlechter gesehen werden. Die meisten Fahrzeuge haben eine Höhe von ca. 140 bis 160 m, sind also größer als die meisten Kinder. Andere Entwicklungen hat man jedoch weniger im Blick – beispielsweise, dass Kinder Gefahren nicht so gut voraussehen können.
Für eine grobe Einschätzung, was Ihr Kind in welchem Alter kann bzw. nicht kann, haben wir Ihnen hier einen Überblick über die Entwicklungsschritte als Verkehrsteilnehmer zusammengestellt. Diese Einschätzungen sind selbstverständlich nur als ungefähre Richtwerte zu verstehen, denn jedes Kind durchlebt eine individuelle, schrittweise Entwicklung.
Das können Kinder (noch) nicht …
… sehen:
90 Prozent aller Informationen im Straßenverkehr nehmen wir über das Auge auf. Bei jüngeren Kindern ist die Sehfähigkeit noch eingeschränkt:
- Jüngere Kinder sehen nur aus ihrer Perspektive. Was sie nicht sehen, existiert für sie nicht oder umgekehrt: Ich habe das Auto gesehen, also muss der Autofahrer mich auch sehen.
- Mit etwa 5 Jahren können Kinder Farben gut erkennen und zwischen hell und dunkel unterscheiden. So wissen sie zum Beispiel, wann eine Ampel auf „Grün“ oder „Rot“ steht.
- Kinder sehen „langsamer“ als Erwachsene. Entfernungen und Geschwindigkeiten zu beurteilen, fällt ihnen sehr schwer. Bis zur Grundschule können sie nicht richtig zwischen einem stehenden und einem fahrenden Fahrzeug unterscheiden und sie brauchen länger, um Sinneseindrücke zu verarbeiten.
- Die Fähigkeit, Geschwindigkeiten einzuschätzen, entwickelt sich nur schrittweise und ist auch mit 14 Jahren noch nicht beendet. Entsprechend ungenau können Kinder daher Anhaltewege einschätzen, dies kann beim Überqueren der Straße gefährlich werden.
- Erst mit 7 Jahren können Kinder wirklich zwischen „rechts“ und „links“ unterscheiden.
- Erst ab ca. 9 Jahren entwickeln sie langsam ein Bewusstsein für Positionen und Perspektiven.
- Bis etwa 12 Jahre haben Kinder noch ein eingeschränktes Blickfeld. Was Erwachsene im Augenwinkel noch mitbekommen, sehen Kinder zunächst nicht. Zwischen 8 und 9 Jahren entwickeln Kinder ein ähnliches peripheres Sichtfeld wie Erwachsene.
- Auch in andere Richtungen als nur in Fahrtrichtung zu schauen, können Kinder erst mit 8 Jahren. Dies kann zum Beispiel beim Abbiegen mit dem Fahrrad zur Gefahr werden.
… hören:
Auch das Gehör spielt eine wichtige Rolle, damit man sich sicher im Verkehr bewegen kann. Es ermöglicht insbesondere Gefahren zu erkennen, die noch nicht zu sehen sind und sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen.
- Kinder könen Geräusche nicht so gut filtern, also Relevantes von Unwichtigem zu unterscheiden fällt ihnen schwer - sie lassen sich leichter ablenken.
- Besonders das Richtungshören ist eine Fähigkeit, über die kleine Kinder noch nicht verfügen. D. h. Das Verorten, also zu erkennen, von wo genau ein Geräusch kommt, entwickelt sich erst mit der Zeit. Sie hören zum Beispiel das Klingeln oder Hupen, können aber nicht sagen, von wo die Gefahr naht. Besonders schwer tun sie Kinder mit Geräuschen aus seitlicher Richtung.
- Kinder hören auch „langsamer“ als Erwachsene, denn sie brauchen länger, um Sinneseindrücke zu verarbeiten.
… bewerten:
Jüngere Kinder verfügen noch nicht über die Voraussetzungen, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Komplexe Situationen überfordern sie. Im Laufe der Kindheit finden starke Lern- und Entwicklungsfortschritte statt. Erst mit zunehmendem Alter und entsprechendem Training entwickeln sich die verkehrsrelevanten Fähigkeiten:
- Sie sind Mehrfachanforderungen noch nicht gewachsen, so etwa die Balance auf dem Rad halten, sich umschauen und dabei Handzeichen geben.
- Sie lassen sich schnell stark ablenken und können sich nicht über längere Zeit systematisch konzentrieren.
- Unter sechs Jahren können zwar bekannte Gefahrenstellen benannt werden, aber die Ursachen und Vermeidungsmöglichkeiten sind noch nicht bekannt. Erst mit sechs bis sieben Jahren erkennen sie auch ihre eigene Rolle als mögliche Verursacher.
- Erfahrungen als Fußgänger können kleinere Kinder nicht aufs Radfahren übertragen.
- Ab 6 bis 7 Jahren nimmt die Konzentrationsfähigkeit zu. Kinder beginnen, Zusammenhänge zu erkennen und können sich immer besser in andere Menschen hineinversetzen, was eine grundlegende Fähigkeit für eine sichere Verkehrsteilnahme bedeutet.
- Ab ca. 8 Jahren sind viele Fähigkeiten entwickelt, um sich an gesicherten Querungsstellen wie Ampeln und Zebrastreifen richtig zu verhalten.
- Dauerhafte Aufmerksamkeit kann frühestens im Alter von 9 bis 10 Jahren erwartet werden.
- Erst dann ist ein präventives Verkehrsverhalten und damit ein einigermaßen sicheres Überqueren der Fahrbahn auch an ungesicherten Stellen möglich. Dafür benötigen sie viele Fähigkeiten, die zusammenspielen.
- Mit 12 bis 14 Jahren verbessert sich die Konzentration auf die wichtigen Reize. Kinder können ihre Aufmerksamkeit schnell auf unterschiedliche Dinge ausrichten. Leider kann zeitgleich mit der Pubertät Risikoverhalten aufkommen (Auflehnen gegen Regeln, Mutproben, Imponiergehabe, Leichtsinn, Ablenkung und Selbstüberschätzung).
Was ist beim Fahrradfahren zu beachten?
Kinder erlernen erst nach und nach die notwendigen Kompetenzen fürs Radfahren. Sie machen dabei zwei große Entwicklungssprünge: den ersten mit rund 8 Jahren, den zweiten im Alter von 13 bis 14 Jahren.
- Wir empfehlen, dass Kinder im Grundschulalter nur in Begleitung Erwachsener Fahrradfahren (Hinweis: Alter, Klassenstufen, Dauer der Grundschule variieren je Bundesland).
- Kinder haben höhere Reaktionszeiten als Erwachsene, diese verbessern sich mit zunehmendem Alter nach und nach. Und erst mit etwa 9 bis 10 Jahren sind die psychomotorischen Fähigkeiten ausgebildet, die den sicheren Umgang mit dem Fahrrad möglich machen.
- Das erforderliche Verständnis für den komplexeren Verkehr, dem man als Radfahrer oft begegnet, entwickelt sich sogar erst im Alter von etwa 11 bis 12 Jahren. Und die kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten, um selbst in sehr komplexen Verkehrssituationen sicher unterwegs sein zu können, sind erst mit etwa 14 Jahren vollständig ausgebildet. Mit Training lassen sich das Fahrradfahren aber gut üben und verbessern.
Präventive Mobilitätsbildung
Generell gilt: Kinder haben einen starken Bewegungsdrang und sind oft spontan.
- Es ist gut, früh die Konzentrationsfähigkeit von Kindern auf bestimmte Dinge oder Situationen zu üben. Aber auch wenn sie umsichtig wirken, sollte man nie unterschätzen, wie schnell sie sich ablenken lassen.
- Was sie in Schonräumen lernen, können sie oft noch nicht auf andere Situationen transferieren. Übungen in sicherer Umgebung sind in vieler Hinsicht ratsam, allerdings können sie dort nicht alles lernen.
- Wichtig: In der Gruppe verhalten sich Kinder oft anders als alleine oder gemeinsam mit Erwachsenen. Daher die Empfehlung das Verhalten der Kinder immer mal wieder zu überprüfen.
- Ab etwa 14 Jahre verbessert sich die Konzentration auf das Geschehen um sie herum. Leider kann zeitgleich mit der Pubertät Risikoverhalten aufkommen (Auflehnen gegen Regeln, Mutproben, Imponiergehabe, Leichtsinn, Ablenkung und Selbstüberschätzung).
Um das richtige Verhalten zu erlernen und Fehlverhalten entgegenzuwirken, ist für Kinder eine umfassende Mobilitätsbildung im schulischen und außerschulischen Bereich unerlässlich. Viel üben, unterschiedliche Situationen erleben und Erfahrungen sammeln ist sehr wichtig. Helfen Sie Ihrem Kind dabei, ein Verkehrsheld zu werden!
Schauen Sie auch gemeinsam mit Ihrem Kind auf unsere Kinderseite, hier finden Sie zum Beispiel Spiele und Malvorlagen.